Methoden

Coaching oder Training? Oder beides?

Abgrenzung von Coaching und Training

Was unterscheidet Training von Coaching? Mit welchen Themen und Anliegen sollte man sich besser an einen Coach wenden, wann dagegen ist ein Training die bessere Wahl? Oder lässt sich beides verbinden? Horst Rückle, der selbst vom Training zum Coaching kam und sowohl als Trainer als auch Coach arbeitet, erläutert Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

5 Min.

Wissen plus Training ergibt Können.
Können plus Coaching ergibt erfolgreiches Handeln. 

Ein Blick zurück: Manager und ihre Führungs-Skills

Die meisten Manager verdanken ihre Karriere ihrer fachlichen Kompetenz und wurden oft auch deswegen ge- und befördert. Obwohl beim Aufstieg in der Hierarchie die Fachkompetenz immer weniger und die Sozialkompetenz immer wichtiger wird, haben viele Manager den Wissensaufbau über Führungsverhalten, Motivation, Konfliktbearbeitung, Feedback u. a. sowie das Training entsprechender Verhaltensweisen vernachlässigt. Schließlich ging es ja auch so! Und ihre Position gab ihnen meist Macht genug. Wirtschaftlicher Erfolg, der von Managern zuvorderst erwartet wurde und wird, war ja auch mit Druck und Auslösen von Ängsten erreichbar. Mitarbeiter kuschten und ließen das Management so im Glauben, dass alles in Ordnung sei. Was daraus entstehen kann, zeigen uns die Beispiele der Automobilkonzerne oder Banken, aber auch andere Branchen lieferten und liefern.

Weil qualifizierte Führungskräfte und Mitarbeiter im Laufe der Zeit zunehmend kritischer wurden und deren Qualifikation immer häufiger das bei Managern noch vorhandene Wissen überstieg, fühlten sie sich angegriffen und reagierten mit Überzeugungskraft und Durchsetzungsvermögen. Demotivation, Angst und innere Kündigungen sowie das Abdriften der Leistungsbereitschaft in die Freizeit waren und sind die Folgen. Immer mehr Mitarbeiter machen Dienst nach Vorschrift, befriedigen ihre weinenden Seelen mit Konsum und steigern ihr Selbstwertgefühl mit Anstrengung bis zur Selbstverstümmelung. Würden Unternehmen auch nur annähernd das fordern, was Vereine zur Verpflichtung machen, hätte das Kündigungen, Anzeigen und Verurteilungen zur Folge.

Das Führen trainieren

Diese Folgen der in immer mehr Befragungen feststellbaren Unzufriedenheit der Mitarbeiter machen es für Manager überlebenswichtig, so führen zu können, dass Mitarbeiter frei und willig, vielleicht sogar begeistert, gewollte Leistungen erbringen. Ich höre schon die Antwort mancher Manager: „Ich besuche regelmäßig Kongresse und Vorträge und lese entsprechende Literatur." Jedoch: Wissen, wie es geht, ist weder Können noch Anwendung!

Jeder Sportler weiß: Wissen führt noch nicht zu qualifizierteren Verhaltensweisen. Diese entstehen erst durch Trainieren, indem die Anwendung von Wissen so lange geübt wird, bis die in der Rolle erwarteten Verhaltensweisen, gespeist aus dem Kern der Echtheit, nutzbar sind. Oft ist Coaching notwendig, um letzte Hemmnisse abzubauen.

So wird Erfolg statt mit Über-zeugen mit wertschätzendem Er-zeugen von Einsicht erreicht. Qualifizierte Manager beweisen dies täglich.

Training und/oder Coaching

Wenn sich Manager dazu durchgerungen haben, erahnte oder aus Feedback der Inhaber, Aufsichtsräte oder Mitarbeiter bewusst gewordene Führungsdefizite auszugleichen, entsteht meist der Wunsch nach Training und/oder Coaching. Da der Begriff Coaching sehr unscharf ist, kann nur ein klärendes (und kostenfreies) Vorgespräch zwischen Coach und Klient zeigen, ob wirklich Coaching-Bedarf besteht oder ob zunächst ein Training benötigt wird.

Wissensdefizite beheben und die Anwendung des Wissens durch Training ermöglichen

Deshalb werden in einem Erstgespräch von verantwortungsbewussten Trainern und Coaches sowohl Wissensbereiche als auch Können des Klienten erfragt und analysiert. Dabei werden fast immer Wissensdefizite deutlich. Es gilt: Ohne Wissen gibt es kein Können und ohne Können keine Anwendung. Daher ist es oft notwendig, zunächst Wissen zu vermitteln.

In Gesprächen oder anhand praxisnaher Literatur (letzteres ist kostengünstiger) informiert der Trainer über die Wichtigkeit von Werten, Zielen und Zielgruppen, den Unterschied zwischen Verhandlungen und Gesprächen, die Schritte von Problemlösungsprozessen, verschiedene Interventionstechniken zur Bearbeitung von Konflikten, die Nutzen-Schaden-Argumentation, das Deuten von körpersprachlichen Reaktionen etc. In Übungsgesprächen zu den vom Trainer oder Klienten benannten Problem- oder Konfliktsituationen wird das Wissen anwendbar und in der Praxis nutzbar gemacht.

Veränderungsprozesse im Top-Management

Dass dieses Vorgehen auch beim Top-Management-Coaching notwendig ist, wird nach den einführenden Erläuterungen nicht verwundern. Es fällt erfolgsbestätigten Managern meist nicht leicht, ihr seitheriges „So sein“ zu verlassen und sich mit neuen Möglichkeiten zu zeigen. Bei neuer Kleidung, einer neuen Frisur oder Änderungen anderer Äußerlichkeiten ist dies leichter, obwohl Veränderungen dieser Art oft weniger zur Persönlichkeit und Rolle passen als die jetzt endlich erlernte und nutzbare Führungskompetenz. „Ich lasse mich nicht verbiegen – ich will so bleiben wie ich bin“ gilt scheinbar nur in Bezug auf berufliche Strukturen. Im Freizeitbereich werden willfährig Bewegungsmuster und Regeln – oft unter erheblichem finanziellem und zeitlichem Aufwand und Anstrengung – eingeübt, obwohl diese von anderen verpflichtend vorgegeben wurden und oft auch nicht zur Persönlichkeit passen.

Wunderbar im wörtlichen Sinne ist, dass sich die Gründe, aus denen Manager Coaching suchen, oft schon mit der Vermittlung von „Aha-Effekten" auflösenden Informationen und Erkenntnissen aus entsprechenden Übungssituationen erledigen.

Coaching wird dann notwendig und hilfreich, wenn die in Bezug zum Persönlichkeits- und Rollenprofil realisierten Übungen im (geschützten) Übungsraum entsprechende Verhaltensweisen ermöglichen, diese aber in der Praxis nicht genutzt werden (können). Befürchtungen, wie „Was werden die Mitarbeiter denken?“, „Funktioniert das Neue wirklich?“, „Was ist, wenn ich nicht durchhalte?“, sind oft stärker als der Mut, es einfach zu wagen. Dann hat der Coach die Aufgabe, dabei zu helfen, dass die Wirkung der Befürchtungen kleiner und der Mut für die Nutzung größer wird.

Fazit

Während der Trainer (meist) mit Teilnehmern arbeiten darf, die Wissen aufnehmen und für den Erfolg notwendige Verhaltensweisen üben wollen, arbeitet der Coach vielmehr mit Personen, die neue Wege suchen, von Problemen und Konflikten eingeengt werden oder sich Veränderungen nicht zutrauen.

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